login
Suchkriterien löschen

Das Rote Kreuz im Deutsch-Französischen Krieg 1870–1871 (Teil 2)

Nach dem Ausbruch des Krieges nahmen in der Schweiz regionale Rot-Kreuz-Sektionen in Bern, Aarau, Basel, Winterthur, Neuenburg, Vevey und Genf die Arbeit auf. Der Einsatz freiwilliger Helfer vor Ort, darunter zahlreiche hochqualifi zierte Ärzte und Medizinstudenten,war beispiellos in der Geschichte. Als Ersthelfer auf dem Schlachtfeld über den Dienst in Feldlazaretten und die Errichtigung mobiler Krankenstationen zur Versorgung der Verwundeten bis hin zur Hilfe in Kriegsgefangenenlagern waren die Helfer des Roten Kreuz im Einsatz.


Abb. 12. Die Basler Agentur druckte spezielle Postkarten, die zum Austausch von Informationen über den Verbleib verwundeter Soldaten dienen sollten. Hier eine Anfrage über einen Soldaten des 3. Zouaves-Regiments des 1. Korps, der bei Sedan gefangen genommen und in Königsberg inhaftiert wurde, datiert 2. Dezember 1870 mit seltenem violetten Stempel «Agence Internationale Bâle» und blauem L1-Stempel «Armée du Rhin».

Neben der medizinischen Versorgung und der Hilfeleistung vor Ort wurde das Internationale Komitee mit der Einrichtung eines Post- und Informationsbüros beauftragt, um «den Austausch von Mitteilungen zwischen den Komitees zu erleichtern und den Austausch von Informationen über die gefangenen Soldaten und ihre Familien zu unterstützen». Basel wurde aufgrund seiner strategischen Lage an der deutsch-französischen Grenze als Sitz dieser Zentralstelle gewählt. Die Basler Agentur unterstützte Familienangehörige von gefangenen und verwundeten Soldaten und versorgte sie mit Informationen über deren Verbleib.

Zum Zweck der Unterstützung der Kriegsgefangenen bereiteten die Schweizer Gesellschaften vorgedruckte Antwortbriefe vor, um Informationen von einem Gefangenen an seine Familie weiterzuleiten. Die Agentur in Basel verwendete darüber hinaus spezielle Stempel und Klebezettel, welche die Rücksendungsdienste für Kriegsgefangene kennzeichnete.


Abb. 13. Brief vom 6. September 1870 aus dem Kriegsgefangenenlager Darmstadt mit blauem Ovalstempel «Gr. Hess. Etappen Commandatur Darmstadt» oben links, weitergegeben an den Hessischen Gefangenenhilfsverein, der auf der Rückseite sein seltenes Label «Hilfver f. Verwundete Soldaten Gr. Hessen» anbrachte; weitergegeben an das Basler Rote Kreuz, das seinen roten Ovalstempel «Agence Internationale Bâle» und rückseitig den seltenen Klebezettel anbrachte. Der Brief wurde schliesslich an das Französische Rote Kreuz weitergegeben, das rückseitig seinen blauen Stempel «Sociéte de Secours» anbrachte. Es handelt sich um die früheste bekannte Verwendung des roten Stempels «Agence Internationale Bâle» und zugleich die einzige bekannte Kombination von französischen, deutschen sowie schweizerischen Rot-Kreuz-Klebezetteln bzw. Stempeln auf einem Brief.

Deutsche Hilfsgesellschaften des Roten Kreuz

Der Deutsch-Französische Krieg ist historisch betrachtet der erste bewaffnete Konfl ikt, in dem alle Parteien die Genfer Konvention befolgten. Dies ermöglichte den Einsatz zahlreicher nationaler Rot-Kreuz-Gesellschaften, wobei neben den kriegsführenden Parteien zwölf nicht am Konfl ikt beteiligte Staaten Hilfskräfte nationaler Verbände und Gesellschaften entsandten. Österreich, Belgien, Grossbritannien, Holland, Italien, Luxemburg, Norwegen, Portugal, Russland, Spanien, Schweden – und an erster Stelle die Schweiz – beteiligten sich an dieser grossen Welle der Solidarität. Deren postalische Spuren sind vielfältig und bieten ein weites Betätigungsfeld für engagierte Sammler.


Abb. 14. Ausführlich informierte das «Journal de Genève» seine Leser über die Beteiligung der verschiedenen Hilfsgesellschaften, die im Einsatz waren (Ausgabe vom 8. Dezember 1870, Vorlage: IKRK / www.drk.de).

Die Deutschen Staaten verfügten über zahlreiche, gut mit Personal und Material ausgestattete Rotkreuz-Gesellschaften, die organisatorisch eng mit dem preussischen Heer zusammenarbeiteten. Aufgrund dessen lag die Zahl der Soldaten, die an Krankheit oder Verwundung starben, unter der Zahl der im Feld Gefallenen. Neben dem bereits erwähnten «Württembergischen Sanitätsverein» und dem «Preussischen Verein zur Pfl ege Verwundeter Krieger», engagierte sich vor allem auch der «Badische Frauenverein», der – gegründet 1859 – als Vorläufer der nationalen Hilfsgesellschaften gilt und offi ziell im Jahr 1866 dem zwei Jahre zuvor in Berlin gegründeten Deutschen Roten Kreuz als zivile Hilfsorganisation beitrat.


Abb. 15. Briefkopf auf portofrei befördertem Brief des Badischen Frauenvereins aus Carlsruhe, dem Hauptsitz der Gesellschaft, mit entsprechendem blauem Stempel.

Darüber hinaus gab es den «Vaterländischen FrauenVerein», der 1866 von der preussischen Königin, der späteren Kaiserin Augusta, ins Leben gerufen wurde. Hieraus gingen bald Zweigvereine hervor, die später die Vorläufer des Deutschen Roten Kreuzes bildeten. Darüber hinaus gab es den «Berliner Hilfsverein für die Deutschen im Felde» und das «Königliche Komissariat der Freiwilligen Krankenpfl ege». Sachsen trat mit der in Dresden gegründeten «Sächsischen Felddiakonie» in Erscheinung.


Abb. 16. Zwischen 1866 und 1870 entstanden viele Zweigstellen des «Vaterländischen Frauenvereins», die jeweils eigene Vignetten bzw. Klebezettel zur Anzeige der Portofreiheit nutzten.

Analog dazu trat Bayern ebenfalls mit verschiedenen Hilfsgesellschaften hervor, so unter anderem mit dem «Bayerischen Verein zur Pfl ege Verwundeter Krieger», dem «Bayerischen Frauen-Verein» oder dem «Kantonalen Hilfsverein von Bayern», die ebenfalls postalische Spuren hinterliessen.


Abb. 17. Feldpost-Brief aus der Zeit der Belagerung von Paris mit dem seltenen farbigen Rot-Kreuz-Siegel des «Bayerischen Vereins zur Pfl ege Verwundeter Krieger».

Während des Deutsch-Französischen Krieges waren die verschiedenen deutschen Hilfsvereine sowohl in Frankreich als auch in Deutschland aktiv. Insbesondere in Deutschland mussten sie sich um über 300 000 Kriegsgefangene kümmern und wurden dabei von anderen nationalen Gesellschaften unterstützt
Zum ersten Mal kamen auch spezielle Sanitätszüge sowie Lazarettschiffe zum Einsatz, viele davon unter der Regie des Roten Kreuzes oder nationaler Hilfsgesellschaften.


Abb. 18. Lazarettzug des Württembergischen Sanitätsvereins.

Das Rote Kreuz in Frankreich

Die «Société Française de Secours aux Blessés Militaires» («Französische Gesellschaft zur Unterstützung verwundeter Soldaten») wurde im Jahr 1864 gegründet, mit Henry Dunant als Ehrenpräsident, und richtete ab 1865 lokale Komitees ein. 


Abb. 19. Postkarte mit Zudruck der «Société Française de Secours aux Blessés Militaires», Niederlassung Lyon, in die Schweiz.

Dennoch waren die französischen Rot-Kreuz-Gesellschaften zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs im Vergleich zu Preussen eher unzureichend vorbereitet. Dies hatte zur Folge, dass auf französischer Seite die Zahl der durch Krankheit oder Verwundung verstorbenen Soldaten fast dreimal so hoch war wie die Zahl der gefallenen Soldaten.


Abb. 20a. Faltbrief «par ballon monté» der Pariser «Société Française de Secours aux Blessés Militaires» nach Belgien mit Rot-KreuzStempelzudruck und Briefkopf «Palais de l’Industrie (Champs-- Elysées)». Der Brief wurde mit dem Ballon «Le Duquesne» befördert.

Die französische Postverwaltung gewährte das Privileg des portofreien Versandes für die Post von und zu den französischen Lokalkomitees des Roten Kreuzes. Dieses Privileg wurde während des Deutsch-Französischen Krieges auf den Postaustausch mit Kriegsgefangenen ausgedehnt. Grenzüberschreitende Post war jedoch nur bis zur Grenze portofrei. 


Abb 20b. Die bemannten Ballons transportierten Postsendungen, Brieftauben und zuweilen auch Passagiere aus dem belagerten Paris.

Aus verschiedener Hinsicht von hervorgehobener Bedeutung ist die Post von Paris zur Zeit der Belagerung sowie der Besetzung durch preussische Truppen. Allem voran die kurzfristig nach der Belagerung etablierte Ballonpost («Ballons montés») eröffnete Möglichkeiten der Kommunikation mit der Aussenwelt. Insgesamt starteten während der Belagerung 67 verschiedene Ballons von Paris aus, von denen 55 für den Posttransport zugelassen waren. Die Ballonpost war sehr erfolgreich und insgesamt wurden 11 000 kg Post auf diese Weise befördert. Auch Briefe Angehöriger der Rot-Kreuz-Gesellschaften sind verzeichnet, wobei diese durchaus als grosse Seltenheiten gelten dürfen.


Abb. 21. Brief vom 2. Januar 1871 aus Basel mit Zudruck «Agence Internationale de Secours aux Militaires Blessés» nach Moulins-surAllier zur Weiterleitung nach Paris durch «Boule de Moulins», korrekt frankiert und abgestempelt am 8. Januar in Moulins.

Noch weitaus seltener ist die Zinkkugelpost («Boules des Moulins»), ein Verfahren, bei dem Briefe in kleinen Zinkkugeln über die Seine nach Paris gelangen und dort herausgefi scht werden sollten. Die praktische Umsetzung jedoch verlief nicht so erfolgreich, so dass die heute erhaltenen Belege zu den Raritäten gehören, zumal solche Postsendungen mit Bezug zum Roten Kreuz.

Neben dem Schauplatz Paris mit seinen Besonderheiten gab es zahlreiche weitere Städte und Orte, die von den Helfern des Roten Kreuzes unterstützt wurden und deren Post das Fortschreiten und die Folgen des Kriegsgeschehens, aber vor allem den unermüdlichen Einsatz der Hilfskräfte dokumentieren.

Die Solidarität des Roten Kreuzes: Hilfsgesellschaften und -verbände aus dem Ausland

Die Bemühungen der nicht direkt beteiligten Rot-KreuzGesellschaften anderer Staaten war zum Zeitpunkt des Krieges einmalig in der Geschichte und die Solidarität der Helfer suchte ihresgleichen. Insbesondere die zweite Phase des Krieges ging mit grossem Einsatz der Hilfskräfte einher, die allenorts das Geschehen begleiteten.
Das englische Rote Kreuz war mit der «Anglo-American Ambulance» und der «British National Society for the Sick & Wounded in War» vertreten. Irland entsandte seine «Ambulance Irlandaise Intendance» («Irish Ambulance Brigade»). Die heutigen Benelux-Staaten waren als Nachbarn direkter betroffen und halfen ebenfalls mit ihren Rot-Kreuz-Gesellschaften, wobei die Belgier die ersten ausländischen Kräfte waren, die auf den Schlachtfeldern zur Hilfe kamen. Darüber hinaus entsandten Italien, Österreich und auch verschiedene skandinavische Länder Hilfspersonal, letzere vor allem Ärzte, die wichtige Unterstützung leisteten.


Abb. 22. Seltener Brief mit Zudruck «British National Society for the Sick & Wounded in War.» nach England, frankiert mit Okkupationsausgabe Elsass-Lothringen des Norddeutschen Bundes, entwertet mit Stempel «K.PR. Feldpost-Relais No 23».

Das Grüne Kreuz 

Abschliessend sei noch das «Croix-Verte» bzw. «Grüne Kreuz» erwähnt, ein Unterkomitee des Roten Kreuzes, das 1870 in Basel gegründet wurde. Der vollständige Name war «Comité de Secours aux Prisonniers Français et aux Populations Ruinées par la Guerre» oder kurz «Internationales Hifl scomité für Kriegsgefangene».


Abb. 23. Seltener Brief der Agentur des «Grünen Kreuzes» aus Basel

Ziel war es, kriegsverwundete Soldaten medizinisch zu versorgen und deren Familien zu unterstützen. Das Comité hatte Vertretungen in Basel und Lausanne. Ähnliche Bewegungen wurden auch in anderen Ländern gegründet, vor allem in Belgien, Frankreich und Österreich.
Die Schweizerische Postverwaltung gewährte der offi ziellen Post der Basler und Lausanner Grünkreuz-Gesellschaften ebenfalls das Privileg der freien Beförderung. Die Sendungen wurden mit ähnlichen Klebezetteln bzw. Labels versehen, welche sehr begrenzten Mengen hergestellt wurden und heute grosse philatelistische Raritäten sind.