Ganzfälschung einer Ganzsache
Johannes Hoffner
mit italienischem Pro Juventute-Vorläufer
Im Anschluss an den Workshop «Fälschungen erkennen» in Olten am 2. März 2024 wurde ich von einem Teilnehmer gefragt, ob ich an einem Beispiel einer Ganzfälschung zeigen kann, wie ein Prüfer vorgeht.
Zum Glück sind Ganzfälschungen von Ganzsachen selten. In meinem «Giftbuch» schlummert aber schon lange ein Kandidat, den ich hier vorstellen möchte. Es handelt sich um die PK33, eine Auslandspaketkarte zum 25-Jahr-Jubiläum des Weltpostvereins (Abb. 1), die vom 2.7.1900 bis 31.12.1900 gültig war. Das Format der Karte beträgt im Original 140 x 90 mm. Das Stück ist mit einem Pro Juventute-Vorläufer in italienischer Sprache «frankiert» und trägt den Stempel DOZWIL 30.III.13 THURGAU. Auf der Rückseite ist ein Bild der «Gordon Bennett Wettfahrt Zürich» 27. Okt. 1912 abgebildet (Abb. 2). Ich möchte mir nicht vorstellen, wie einige dubiose Pseudohändler dieses Stück anpreisen würden. Vorschläge dazu nehme ich gerne an.
Abb. 1 und 2: Vor- und Rückseite einer Ganzfälschung der UPU-Karte von 1900
Technische Untersuchung
Das fragliche Stück hat das Format 144 mm x 95 mm. Wenn man das Schweizer Kreuz auf der Rückseite anschaut, sieht man, dass es mit einem Tintenstrahldrucker gedruckt wurde (Abb. 3). Tintenstrahldrucker gibt es kommerziell erst seit den 1990er-Jahren. Um es für diesen Artikel aufzubereiten, habe ich es mit 2’400 dpi eingescannt. Mit einer guten Lupe und 8-facher Vergrösserung sieht man es sofort. Beim direkten Vergleich mit einer echten UPU-Karte (Abb. 4 rechts), sieht man, dass unter UV-Licht die fragliche Karte blendend hell leuchtet (Abb. 4 links). Optische Aufheller bei Kartonpapier sind erst ab den 1950er-Jahren in Gebrauch. Die Vorderseite der Ganzsache ist nicht im Buchdruck, sondern ebenfalls mit einem Tintenstrahldrucker hergestellt. Adressstempel hatte es schon zu Anfang des letzten Jahrhunderts, aber nie und nimmer in dieser Form. Nun stellt sich noch die Frage nach der Marke. Der direkte Vergleich mit normalem Licht fotografiert zeigt, die Marke auf dem Ganzstück ist auf gelblichem Papier gedruckt, die Originalmarke auf weissem Papier. Unter UV-Licht zeigt das fragliche Stück helle Fasern, die die Originalmarke nicht hat (Abb. 5). Als Letztes kann man noch den Stempel untersuchen. Einen Stempel DOZWIL gibt es. In Abb. 6 ist links das Prüfstück und rechts der Stempel aus den «Güller»-Büchern abgebildet. Der Stempel weicht massiv ab: THURGAU statt (THURGAU), die Buchstaben stehen nicht schön in der Mitte, sie sind nicht aus Metall geschnitten, die Stempelfarbe ist auf Wasserbasis und nicht auf Ölbasis … Bis jetzt hat jede einzelne Untersuchung gezeigt: ALLES FALSCH!
Abb. 3: Schweizer Kreuz vergrössert und mit 2’400 dpi eingescannt. Man sieht die typischen Merkmale eines Tintenstrahldruckers.
Abb. 4: links das fragliche Stück, rechts eine echte Karte zu 5 Rp. Man sieht links das helle Leuchten, rechts ist es nur ein schwaches Glimmen. Aufnahme mit dem Doku-mentenprüfgerät HS3B.
Abb. 5: Im Vergleich zeigt das Prüfstück (jeweils oben) deutliche Unterschiede zur Originalmarke. Bei normalem Licht (oben) sieht man die unterschiedlichen Papierfarben, unter UV-Licht die unterschiedliche Beschaffenheit der Fasern.
Abb. 6: Stempel DOZWIL, links Prüfstück, rechts Kopie aus dem «Güller»-Buch. Schon alleine der Text ist unterschiedlich.
Bei Fragen zur Echtheit und Qualität von Marken stehen Ihnen die Prüfer des SBPV gerne zur Verfügung. Sie finden alle Angaben unter www.briefmarken-pruefer.ch.
Inhaltliche Untersuchung
Dieses Bild der Gordon-Bennett-Wettfahrt wurde auf einer Württembergischen Ganzsache von 1912 verwendet, aber nicht auf einer Schweizer Ganzsache von 1900. Die Abbildung findet sich in einem Privatganzsachen-Katalog. Es handelt sich um eine recht aufwändige Ganzfälschung, die eigentlich nicht gefährlich sein sollte, sich aber bestimmt in einigen Sammlungen befindet. Nein, es handelt sich nicht um einen Aprilscherz, dennoch hoffe ich, Sie hatten an diesem Stück so viel Freude wie ich.
Abb. 7: Auszug aus dem Privatganzsachen katalog mit Abbildung der Ballone