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Die Albula- und Berninabahn


Dietrich Ecklebe AIJP

Seit 2008 gehört die Bahnstrecke von Thusis bis Tirano zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Alpen stellten ein riesiges Hindernis für den Bahnverkehr dar. Nur mit dem Bau einer Schmalspurstrecke konnte die Verbindung über die Alpen bewältigt werden. Als erste Strecke wurde 1890 die von Landquart im Rheintal nach Davos gebaut.

Die schmalspurigen Züge konnten die Strecken im Hochgebirge mit ihren schmalen Kurvenradien bewältigen. Mehrere Pläne wurden wieder verworfen, ehe man sich für den Bau der Strecke von Thusis bis St. Moritz entschied. 1898 begannen die Bauarbeiten. Bis Filisur waren bereits mehrere Viadukte nötig, von denen der Solisviadukt über die Albula in einer Höhe von 89 m am gewaltigsten ist. Die Brücke spannt ihren Bogen 42 m weit über die Schlucht. Der Solisviadukt ist die Brücke mit der grössten Spannweite und der grössten Höhe der Albulalinie. Der bekannteste Viadukt folgt nur wenig später vor dem Bahnhof Filisur. Spektakulär überquert die Bahn auf dem Landwasserviadukt das Tal, um dann in einem Tunnel zu verschwinden. Bei der Konstruktion verzichtete man auf Baugerüste, sondern verwendete Brückenkräne, deren Eisentürme in die Pfeiler eingemauert wurden. Der Viadukt bildet einen Bogen mit einem Radius von 100 m.

Das Albulatal

In Bergün beginnt der Einstieg in das Albulatal. Für den Abschnitt bis zum Albulatunnel entwickelte der Oberingenieur Moser eine Variante der Streckenführung mit einer Steigung von 35 ‰. Das Tal war für die Kehren der Bahnstrecke zu eng und so verlegte man sie in den Berg hinein. Spiralförmig windet sich die Bahn nach oben, pendelt dabei zwischen den Talseiten hin und her und überbrückt die Talsohle auf Viadukten. Auf den 12,6 km von Bergün nach Preda wird ein Höhenunterschied von 416 m überwunden. Um das Ziel in Preda zu erreichen, war der Bau von neun Viadukten, fünf Kehrtunnels, einem normalen Tunnel und zwei Galerien notwendig. Preda liegt in einer Höhe von 1’788,7 m. Von hier aus führt der 5’864 m lange Albulatunnel mit einer Scheitelhöhe von 1’820 m in das Engadin. Damit ist er der höchste Bahndurchstich der gesamten Alpen. Seit dem 12. Juni 2024 wird ein neuer, sicherer Tunnel befahren, der in Spina endet. Die Hauptstrecke führt in westlicher Richtung nach St. Moritz, wo die ursprüngliche Strecke endet. 1904 erreichte der erste Zug St. Moritz.

   
   Bei Preda beginnt der Albulatunnel, der höchste Durchstich für eine Bahn in den Alpen.
Auf der Bernina-Strecke werden Allegra-Triebzüge mit Gleich- und Drehstrommotoren eingesetzt.

Die Häuser des Engadins haben als Vorbild für die Bahnhöfe im Heimatstil gedient. 

Der Piz Bernina ist der einzige Berg Graubündens, der höher als 4’000 m ist und aus der Montebellokurve gut zu sehen ist. 

Fahrt nach Italien

Wer in das italienische Tirano fahren möchte, wird allerdings die Albulabahn in Sameden verlassen, nach Pontresina fahren und dort die Berninabahn besteigen. Pontresina hat einen grossen Bahnhof, denn hier vereinten sich Albula- und Berninabahn. Beide Bahnlinien wurden getrennt gebaut und erst 1944 wurden beide Bahnstrecken vereint. Die Berninabahn wurde von 1906 bis 1910 erbaut. Die Züge der Albulabahn wurden von Dampflokomotiven gezogen, die Berninabahn besass Elektroantrieb. Daher war ein Umspannen der Lokomotiven in Pontresina notwendig. Auch nachdem man 1922 die Elektrifizierung der Albulabahn abgeschlossen hatte, gab es keine durchgehenden Züge, denn die Berninabahn fährt bis heute mit Gleichstrom, während die Albulabahn mit Wechselstrom betrieben wird. Erst die modernen Allegra-Elektrozüge besitzen zwei Motoren für Gleich- und Drehstrom und können somit durchgehend die Strecke befahren. Seit 1973 verkehrt der Bernina-Express von Chur bis Tirano auf beiden Strecken, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Da es sich hier um Züge für Touristen handelt, hat man Panoramawagen entwickelt, die eine Sicht ringsum ermöglichen. Beim Bau der Bahnhöfe waren die Engadiner Häuser Vorbild, wie man auf der Alp Grüm sehen kann. Wenig später werden die Station Morteratsch und die Montebellokurve erreicht. Von hier hat man einen traumhaften Ausblick auf den 4’049 m hohen Piz Bernina, den höchsten Berg Graubündens.

Blick auf schwindenden Gletscher

Aus dieser Kurve kann man auch einen Blick auf den Morteratschgletscher werfen, bei dem die Auswirkungen der Klimaerwärmung genau registriert werden. Jahr für Jahr wird der Gletscher kleiner. Wie der Gletscher geschrumpft ist, kann man deutlich auf der Briefmarke zur internationalen Kampagne zum Schutz der Polargebiete und Gletscher erkennen. Beim Ospizio Bernina am Lago Bianco liegt der Scheitelpunkt der Berninalinie in einer Höhe von 2’253 m. Keine andere Bahnlinie Europas erreicht diese Höhe. Dazu kommt, dass die Berninabahn mit Reibungstechnik fährt. Es ist also keine Zahnradbahn. Mit einer Steigung von 70 ‰ erreicht sie auch hier einen absoluten Spitzenplatz. Der Lago Bianco ist ein Stausee, dessen Gletscherwasser nach Süden abfliesst, während das des nur wenige Meter nördlich liegenden Schwarzen Sees in den Norden fliesst. Der Pass ist nicht nur eine Wasserscheide, sondern auch eine Sprachgrenze, denn von nun an wird italienisch gesprochen.

Am Morteratschgletscher zeigen sich deutlich die Folgen der Klima­erwärmung. 
  Am Ospizio Bernina erreicht die Berninabahn den höchsten Punkt der Strecke (abgebildet auf Marken von Liechtenstein, Japan und UNO Genf).
Der Spitalviadukt von Brusio ist in der Geschichte der Einsenbahn einmalig.

Schneereiche Winter

Die Winter sind lang und schneereich. Spezialfräsen müssen bis in den Sommer hinein den Schnee aus den Gleisen räumen. Daher fuhr die Bahn zunächst nicht im Winter. Ab der Passhöhe mussten die Fahrgäste ihre Tour mit dem Pferdeschlitten fortsetzen. Die nächste Station ist die Alp Grüm, die wie ein Balkon über dem lang gezogenen Tal liegt und herrliche Ausblicke ins Tal und auf die schneebedeckten Berge garantiert. Nun windet sich die Bahnstrecke serpentinenartig in die Tiefe. Die engen Kehren mit einem Radius von nur 45 m und mehrere Kehrtunnel mussten in die Felsen gehauen werden. Hier erreicht die Bahn auch ihre grösste Steigung mit 70 ‰. Bis Puschavio überwindet der Zug einen Höhenunterschied von rund 1’000 m. Das enge Tal hat die Bahnbauer immer wieder zu überraschenden Lösungen gezwungen. Bei Brusio gab es erneut einen grösseren Höhenunterschied zu überwinden. Platzmangel führte zum Bau eines Kreisviaduktes, auf dem die Bahn einen Eineinviertelkreis mit einem Durchmesser von 70 m
beschreibt. Dadurch kann die Bahn das Streckengleis im vierten von neun Bögen unterqueren. Die letzten Kilometer fährt die Bahn teilweise mitten auf der Strasse, vorbei an der Wallfahrtskirche Madonna di Tirano bis nach Tirano.